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prioritäten

[roterhund]

 

Im Kegel der Straßenlaterne schimmernd lag diese kleine Münze also da. Sie war an manchen Stellen leicht verdreckt, was ihrer Faszination auf mich keinen Abbruch tat. Sie sah aus als käme sie nicht von hier, sondern anderswo her. Ich versuchte, die Schriftzüge zu entziffern, konnte aber nicht recht lesen, was dort stand. Vielmehr grübelte ich, wie sie in ihre Geldtasche gekommen war. Und noch mehr grübelte ich, warum sie sie einfach hatte liegen lassen. Vielleicht hatte sie sie von jemand Besonderem geschenkt bekommen? Oder jemand hatte sie einfach nur beim Zahlen in einer Bar verwechselt.

 

Hatte ich erwähnt, dass dort auch noch der Rest ihres Geldes auf dem Asphalt lag? Sicher, und der ein oder andere wird meine Faszination bezüglich dieser kleinen Münze überlesen haben, um zu erfahren, ob die Scheine dort immer noch liegen, damit er sich als Finder oder Glückspilz betiteln kann.

 

Die Ghettoblaster, die ich vor der Begegnung mit der Besitzerin dieser Reichtümer aus der Ferne gehört hatte, kamen näher. Erste erkennbare Stimmen mischten sich unter die fröhliche Musik und dann kamen sie. Einige rannten, andere schlichen staunend umher. Den Blick in die Ferne gerichtet, voller Tatendrang und Überschwenglichkeit.

Die ersten flogen achtlos an mir und dem herumliegenden Schatz vorbei. Sie sahen aus wie taumelnde Marathonläufer, die nicht kapiert hatten, dass sie bereits die Ziellinie überkreuzt hatten.

Irgendwann kam ein stattlicher, älterer Herr in einem hellgrauen, feinen Anzug daherspaziert. Er musste knapp siebzig Jahre alt gewesen sein. Müde und traurig schaute er Schritt für Schritt unter seiner Hutkrempe hervor vor seine Füße auf die Straße. Seine faltigen Gesichtszüge erzählten eine Geschichte voller Trauer, vermischt mit einem Tropfen Wut.

Um ein rotes Haar hätte er mich über den Hundehaufen gerannt, hätte er nicht im allerletzten Moment die Münze schimmern sehn. Abrupt blieb er stehen, bückte sich und hob sie auf. Zwischen Daumen und Zeigefinger drehte er sie hin und her, dann küsste er sie kurz und steckte sie in eine seiner Seitentaschen.

Die nächsten Schritte tat er mit erhobenem Hut und einem leisen Lächeln im Gesicht.

 

Diesem Mann muss ich folgen, dachte ich. Und so heftete ich mich in seinem Schatten an seine Fersen.

 

Ich wusste nicht, ob ich mich wundern oder stolz auf ihn sein sollte, dass er die Geldbörse liegen ließ, wo sie war.

[anmerkung luise]

Diese kleine, französiche Münze bekam ich neulich von einer Frau, die dort zu Gast war, wo ich arbeite, wenn ich nicht gerade diesen Blog schreibe.

Es war ein seltsamer Tag mit lauter seltsamen Menschen. Jeder hatte ein außerordentlich wichtiges Problem und jeder verlangte charmelos, dass seines als allererstes gelöst werde.

 

Ich war zugegebenermaßen leicht genervt und hatte die Hoffnung auf einen "normalen" Menschen an diesem Tag schon aufgegeben.

Plötzlich stand eine junge Frau vor mir, sie fiel mir sofort auf, weil ihr orangerotes Haar in der Morgensonne dermaßen strahlte, dass man sie auf gefühlte 2 Kilometer hätte finden können.

Sie bezahlte ihre Einkäufe, schien jedoch weder besonders wach noch gut gelaunt zu sein. Als sie versuchte, mir das Geld passend mit Kleingeld auf die Theke zu legen, bemerkte sie nicht, dass sie anstelle eines 10 Cent Stückes diese Münze erwischt hatte.

Sie entschuldigte sich, wollte die Münze schon wieder einsammeln, doch ich bat sie, sie behalten zu dürfen, um daraus einen weiteren Aufhänger für diesen Blog zu finden.

Interessanterweise besserte sich ihre Laune und sie sagte: "Jetzt hat der Tag doch noch Energie bekommen!"

Nun hoffe ich, dass sie eines Tages dieses hier lesen wird.

Liebe rothaarige Münzenfrau! Falls Du das hier liest, schreib mir doch einen Kommentar... dann freu ich mich zurück.


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