[luise]
Dieser Blogartikel liegt nun seit knapp drei Wochen regungslos in meinem Archiv und ich war geneigt, ihn zu löschen, weil er nach einigen Malen lesen vielleicht doch nicht so geeignet schien, ihn an die Öffentlichkeit zu bringen. Doch nun habe ich mich entschlossen, ihn euch nicht vorzuenthalten. Auch wenn er wohl etwas wirr und aus einer persönlichen Misere heraus entstanden ist, hoffe ich, dass ihr meine Gedanken nachvollziehen könnt und vielleicht diesen einen Punkt in euch findet, an dem es euch genauso geht wie mir.
es gibt tage, an denen möchte man für alles, was man schreibt und sagt und denkt, nur kleine buchstaben benutzen. es ist egal, dass es gegen jede regel der rechtschreibung verstößt. genau genommen, sind selbst die kleinen buchstaben noch zu groß und sie wirken wie riesen in einem jämmerlichen vergleich zu dem loch, dass in die welt gerissen wurde.
meine finger liegen regungslos auf der tastatur. ich möchte mich mit meinen gedanken niemandem aufdrängen, erst recht niemanden langweilen, und so denke ich, lösche ich besser, was ich geschrieben habe. und dann wieder fliegen wörter auf meinen bildschirm, weil ich denke, vielleicht geht es anderen menschen genauso.
der erste kaffee an diesem morgen wurde begleitet von einem lied, dass ich durch zufall auf youtube entdeckt habe. von einer band, die ich schon lange kenne, doch dieses eine lied war irgendwo vergraben und ich hatte es bisher nie gehört. und wieder beweist sich für mich mein aberglaube, dass manche lieder im leben erst dann ins bewusstsein geraten, wenn man sie braucht. vorher sind sie unwichtig, sie gehen an einem vorbei, ohne hallo zu sagen. und dann, wenn man sie braucht, schreien sie einen lauthals an.
ich muss an dieser stelle etwas "theoretisch" ausholen. in "immer wenn der wind sich dreht" erzählt das lyrische ich von dem verhängnis, mit einem kleinen kutter auf dem ozean zu fahren. es ist nicht irgendein ozean, sondern der des "du" in diesem lied.
ganz schön feist - immer wenn der wind sich dreht
dieser songtext ist für mich die perfektion dessen, was ich mir unter einem lied vorstelle, das jeden berühren kann.
wie oft lese oder höre ich von neuen musikalben, von denen der interpret behauptet, es sei ein "ganz persönliches" album geworden. schön und gut, aber wie kann ein "ganz persönliches" album auch andere menschen erreichen? wenn es doch von dingen erzählt, die einer allein, der songwriter, erlebt hat.
"immer wenn der wind sich dreht" kann als liebeslied von einem mann an eine frau interpretiert werden. ich habe sogar ein video mit bildern gefunden, in dem eine junge frau ihrem freund mit diesem lied eine liebeserklärung macht.
"... und komme doch nie an" sagt nur, dass die ersehnte person nicht erreichbar ist. es sagt aber nichts über das WARUM. die antwort darauf bleibt bei jedem einzelnen, der dieses lied hört und für sich und seine lebensumstände und erfahrugen interpretiert.
wie oft habe ich in den letzten wochen einen satz gehört, der etwa so klang: "ich glaube, das ist nicht meine musik!"
das ist natürlich eine berechtigte aussage, aber was genau sagt das eigentlich aus? welche barrieren stecken in einer solchen aussage... und wie oft hört man einen satz, der dem erst genannten so konträr gegenübersteht: "musik ist eine sprache, die jeder versteht"?
wenn dem so wäre, müsste jeder und jede jedes lied dieser welt "verstehen". zugang zu einem lied oder einer melodie erhält man aber wohl erst dann, wenn man seine eigenen wünsche, ängste, sorgen und hoffnungen an das eigene bewusstsein lässt.
und so wird dann ein lied, das man ohne diese eine erfahrung als liebeslied empfunden hätte, mit einer ganz anderen aussage unterlegt. wir alle hören die gleiche melodie, die gleichen akkorde, die gleichen worte. und doch hört jeder etwas anderes.
das ist musik.
ich habe vor ein paar wochen einen menschen für immer verloren. eines tages reißt ein gesprächsfaden ab und man macht sich wenig bis keine gedanken darüber. das liebe wort "stress" steht mal wieder ganz oben auf der prioritätenliste und muss als allererstes in den griff bekommen werden. man hat noch nicht einmal zeit für ein schlechtes gewissen, den anderen nicht angerufen zu haben, um zu fragen, wie es ihm geht. man hat keine zeit, sich zu wundern, warum der andere nicht schreibt oder anruft.
und dann kommt diese eine sekunde, in der die zeit sprichwörtlich stehen bleibt. an einem wunderschönen rotgoldenen herbsttag wird plötzlich alles schwarz und alles, was ins bewusstsein kommt, ist kalt und leer und doch so voll, voll von verwirrungen und dem blanken horror. und plötzlich hat man zeit. zeit, um auf die vergangenheit zurück zu blicken, um festzustellen, dass es nie wieder so sein wird. zeit, um nach dem WARUM zu fragen und gleichzeitig zu wissen, dass man niemals eine antwort bekommen wird.
"... und komme doch nie an."
Ich fahr mit meinem kleinen Kutter
auf deinem Ozean
und es stört mich schon ein bisschen
dass da noch andre Schiffe fahrn
Ich möchte sie versenken
ich weiß, das ist nicht fair
weil ich gern alleine
auf deinem Ozean wär
Immer wenn der Wind sich dreht
such ich deinen Hafen
immer wenn der Wind sich dreht
ich suche schon so lang
immer wenn der Wind sich dreht
setz ich alle Segel
immer wenn der Wind sich dreht
und komme doch nie an
Manchmal seh ich eine Insel
und wenn ich Kurs genommen habe
komm ich nichmal an ihr Ufer
denn deine Strömung ist zu stark
Manchmal da schwimme ich in dir
spür deine Wellen unter mir
lasse mich treiben, weiß nicht, wohin
und wenn ich es weiß, dreht sich der Wind
Manchmal versuche ich zu schlafen
wenn der Wellengang sich legt
dann wieder schluck ich sehr viel Wasser
immer wenn der Wind sich dreht
Immer wenn der Wind sich dreht
such ich deinen Hafen
immer wenn der Wind sich dreht
ich suche schon so lang
immer wenn der Wind sich dreht
setz ich alle Segel
immer wenn der Wind sich dreht
und komme doch nie an
Ich weiß, es ist gefährlich
und dass ich untergehen kann
doch wenn ich schon ertrinke
dann nur in deinem Ozean
Ich fahre bei Wind, bei Sturm und Orkan
endlos auf deinem Ozean
fahre bei Wind, Orkan und Sturm
und habe den Anker längst verlorn
Immer wenn der Wind sich dreht
such ich deinen Hafen
immer wenn der Wind sich dreht
ich suche schon so lang
immer wenn der Wind sich dreht
setz ich alle Segel
immer wenn der Wind sich dreht
und komme doch nie an
(Ganz schön feist, immer wenn der Wind sich dreht)
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